Thursday, January 12, 2006

Ist geteiltes Leid halbes Leid?

Vor einigen Tagen durfte ich feststellen, das ich nicht die einzige war, die von den Silvesterbildern in die Knie gezwungen worden war und nun am Boden lag und haderte.

Während ich jedoch noch immer am Boden liege und in den Himmel voller schmaler Taillen starre, standen die anderen nach nicht allzu langer Zeit auf und verfielen in Aktionismus.
Claudi, am Wochenende zu Besuch, macht gerade eine Knäckebrot-Obst-Diät und Ingo versucht es mit Trennkost. Ihr geht es um eine Hosengröße und er möchte einfach nur wieder in schicke Klamotten passen.
Und ich?
Das es generell bei mir nicht nur um eine Hosengröße gehen kann, ist, denke ich, jedem klar, aber nach langen Gesprächen unter Frauen kam mir der Gedanke, das eine Hosengröße weniger ein tolles Gefühl wäre, auch wenn das langfristig nicht alles sein kann.
Die berühmten Babyschritte.
Der Gedanke liegt nun bereits vier Tage zurück, doch noch immer kein Aktionismus meinerseits.
Ich bin mehr der langsame Typ: Sacken lassen, Wege finden, Nachdenken und wenn das Gefühl stimmt, lege ich los.
Jetzt denkt der geneigte Leser sicher, das ich mich bei der Einstellung nicht wundern soll.
Tu ich auch nicht und wie lahmarschig das klingt, ist mir selbst klar.

Claudis neue Bibel ist „Moppel-Ich“ von Susanne Fröhlich.
Von mir bisher als eines dieser unerträglichen Selbsterfahrungsbücher gemieden, mussten wir zwei oft sehr lachen oder eifrig nicken, wenn sie aus dem Buch zitierte.
Sie liest es mit Janne zusammen, der sie so liebt, wie sie ist, jedoch ihre Art sich selbst nicht zu mögen weder nachvollziehen kann noch möchte.
Für ihn könnte sie 500 kg wiegen. Wäre sie so wie sie jetzt ist, sie wäre noch immer die Frau.
Ein wunderbarer Zug, doch wissen wir alle, das 500 kg ein Kündigungsgrund sind und sie sicher nicht mehr sie wäre, denn allein ihre Spontaneität, ihre Flexibilität und der Spaß, den sie beim Partymachen hat, wären auf Grund der Physiologie begrenzt.

Auch mein Angeliebter hatte ja keine Ahnung, bis ich ihm meinen Blog zu diesem Thema zeigte. Nach der Lektüre von „Start up“ wurde er sehr still und ziemlich blass um die Nase.
Zum einen, das war mir klar, glaubte er auf seine fatalistische Weise, ich hätte schon die Flinte ins Korn geschmissen, aber zum anderen war er über das Ausmaß des Schmerzes, den ich mir letztendlich selbst zufüge, zutiefst betroffen.
Da er ein Mann ist, der unglaublich viel in sich hineinstopfen kann ohne auch nur ein Kilo zuzunehmen und der erst recht nicht damit aufhören darf, da er sonst noch viel dünner würde, fehlt ihm definitiv das Know-how, um mit solch einer Situation umzugehen.
Selbst die 16 gemeinsamen Jahre, in denen dieses Problem mal mehr mal weniger immer vorhanden war, reichten nicht aus, um eine tiefere Ebene des Verstehens zu erreichen.


Die Idee jedoch, sich mit dem Partner gemeinsam auseinander zu setzen, ihn über so einen Text in die Problematik einzubeziehen, finden wir beide einleuchtend.
Schon Claudi sagte, das es Janne seit der Lektüre leichter fällt, so manches ihrer Argumente anzuerkennen und sei es auch nur, weil er feststellen muss, das sie nicht die einzige ist, die so empfindet.
Das Leid teilen und hin und wieder Mitgefühl ernten von einer Seite, die im allgemeinen verständnislos mit dem Kopf schüttelt und sich nur zu Sätzen wie: „Dann mach halt endlich was dagegen!“ durchringen kann, wenn man zweifelnd vor dem Spiegel steht, ist ein schöner Gedanke.

So gesehen ist vielleicht geteiltes Leid nicht automatisch halbes Leid, aber es ist leichter, wenn auch nicht an Kilos so doch zumindest im Miteinander.
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Thursday, January 05, 2006

Start up

Das Jahr 2005 liegt seit fünf Tagen hinter uns und ich mochte mich lange nicht mehr so wenig wie dieser Tage.

Vermutlich liegt es an all den Fotos, die in jenem Jahr, aber vor allem im Dezember gemacht worden sind. Ich habe neue Freunde, die nichts schöner finden, als „familiäre“ Zusammentreffen zu jeder Zeit zu dokumentieren.

Schaffte ich zu Beginn noch, unterzutauchen sobald eine Linse in meinen Bereich eindrang, gab ich es nach oft wiederholten Kommentaren a la „Was ist dein Problem?“ und entsprechenden Stöhnern auf. Ich versuchte zu ignorieren, das selbst die unpassendsten Winkel nicht ausgelassen wurden.

Dieser Tage nun konnte ich die Tatsachen nicht mehr von der Hand weisen. Die Fotos für einen Jahresrückblick gesichtet, ließen mich mit einer Mischung aus Verzweiflung, großer Trauer, Bedauern und Ekel auf meinem Schreibtischstuhl zusammensacken.

Ich hatte ja keine Ahnung.

In euren Augen mag dieser Satz lächerlich erscheinen und doch kann ich aus der Tiefe meiner Seele sagen, das mein Bild von mir ein anderes war.
Natürlich ist und war mir klar, das ich alles andere als schlank bin, doch vom optisch realen Ausmaß habe ich mir keinen Begriff gemacht. Nicht umsonst schlug ich mit Hüfte und Hintern immer wieder an irgendwelchen Kanten an.
Mein inneres und mein äußeres Ich sind nicht identisch. Im Kopf ist mir klar, das ich deutlich über 110 kg (mein letztes Ergebnis auf der Waage ca. 2003) wiege. Meine Hosen beweisen mir das immer wieder und trotzdem bin ich nicht in der Lage, das in komplette physische Präsenz umzudenken.
Genau das macht es mir aber so einfach, mir weiterhin Süßigkeiten und Fast Food zu „gönnen“. Das Problem jedoch ist, das, sobald ich nun dort auf dem Stuhl saß wie ein großer Haufen Elend (im Geiste war ich natürlich ein Häufchen), der Fressimpuls einsetzte.
Der Wunsch, unbedingt etwas in meinen Mund zu stecken, zu kauen und den möglichst süßen Geschmack auf meiner Zunge zergehen zu lassen. (Und lasst es euch gesagt sein, Karotten und Äpfel können dieses Glücksgefühl nicht erzeugen!) Das Muster durchschauend, aber nicht durchbrechend aß ich vom bunten Teller, der praktischerweise direkt auf dem Tisch vor dem Sofa seinen Platz hat, so dass das Maß an Bewegung aufs optimale reduziert wird, wenn man vor dem Fernseher oder dem PC sitzt und mochte mich noch ein bisschen weniger.

So sehr mein Körper mein Sein bestimmt, ein Spiegel meiner Art zu leben ist, so sehr wünsche ich mir, das es anders ist. Das Körper und Geist eins werden, mein Wunsch nach Bewegung und Veränderung sich auf meinen Körper überträgt und ich die Kraft bekomme, dieses harte Stück Arbeit auf mich zu nehmen, um mich mit mir selbst zu versöhnen, zu vereinen.

In diesem Blog werde ich reflektieren, versuchen zu verstehen, einfach nur erzählen oder schimpfen. Doch versprechen werde ich mir nichts. Zu oft habe ich mich schon enttäuscht und mit jeden gebrochenen Versprechen kamen zu den vielen Kilos noch ein paar mehr dazu.
Zumindest der Ist-Zustand soll gewahrt bleiben, denn nach oben ist alles offen und dorthin ist es ausnahmsweise einmal soviel einfacher als nach unten.
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